Let’s Read “White Night” / Teil 5: Licht und Schatten

Den Schlüssel zur Bibliothek habe ich jetzt “gefunden” – oder hat er eher mich gefunden? Ich weiß jetzt zumindest, wer sich hinter der mysteriösen Frau in Weiß verbirgt: Die Jazz-Sängerin Selena Sandvik. Mal schauen, ob ich in der Bibliothek mehr über sie und ihre Liebe zu William Vesper herausfinden kann. Klar ist jedoch – wo Licht ist, fallen auch immer Schatten…

Foto: Marius Brede / Quelle: flickr (bearbeitet durch: Cäcilia Sauer)

Sie war das Mädchen von der Jazz-Platte. Selena Sandvik… Der Schlüssel, den Sie mir überließ, war eine Einladung. Wollte Sie mir helfen? Oder brachte sich mich nur noch mehr in Schwierigkeiten? Ich musste mich konzentrieren. Überleben war ein Vollzeitjob. Noch dazu einer, den man nicht verlieren wollte.

White Night

Da liegt er, der Schlüssel. Das mulmige Gefühl hat mich zwar noch nicht vollkommen verlassen, schließlich weiß ich nicht, was mich in der alten Bibliothek erwartet. Es erleichtert mich jedoch ein wenig, dass ich nun weiß, wer sich hinter der leuchtenden Gestalt verbirgt. Ich bezweifle, dass uns Williams Geliebte in die Irre leiten wird. Bei den Schatten sieht es da schon ganz anders aus. Bisher hat mich zwar keiner der Geister wirklich verletzt – das heißt aber nicht, dass das auch so bleiben muss. Je tiefer ich in die Geheimnisse des Hauses einzutauchen versuche, desto aggressiver scheinen sie zu werden. Als wollen sie genau das verhindern. (Aber das wollen Geister ja eigentlich immer. Nur nicht stören. Warum bin ich also nochmal hier?)

So sehr es mich auch sträubt (und so sehr es auch jeglichem gesunden Menschenverstand und Überlebensdrang widerspricht), ich muss tiefer in das Haus vordringen. Und der erste Weg führt nun einmal in die Bibliothek. Ich muss nun nur noch zurück in den ersten Raum, den Schlüssel in das Schloss zu stecken und … schon ist die Bibliothek offen und ich kann mich auf die Suche nach Selenas Geist begeben – oder zumindest zu erfahren, auf was sie mich aufmerksam machen wollte.


Im Bücherlabyrinth

Von einem weißen Geist ist hier jedoch zunächst keine Spur und auch sonst sind die Entwickler von “White Night” in diesem Raum eher sparsam mit dem Weiß umgegangen: Sämtliche Lichtschalter sind defekt, die Vorhänge des einzigen Fensters sind zugezogen – stattdessen modrige Bücher so weit das Auge reicht. In Kombination mit dem ständigen Perspektivwechsel, schaffen die vielen Regale und Gänge den beklemmenden Eindruck eines Labyrinths, aus dem es kein Entkommen gibt. Jetzt heißt es: Einen klaren Kopf behalten und systematisch vorgehen. Ich darf nicht die Orientierung verlieren. Ein weiteres Streichholz muss her, damit ich jeden Gang einzeln untersuchen kann.

Mit jedem Regal, das ich näher betrachte, verdichtet sich die beklemmende Atmosphäre jedoch nur noch mehr: Hier ein Album mit Fotos von Messern, einer schlafenden (?) Frau, dem Mond und der etwas seltsamen Beschreibung “Die Mutter von Männern. Meine Mutter. Du ermöglichst es mir, ein Mann zu sein.” Da eine Tafel mit seltsamen Symbolen, die dem Protagonisten “Kopfschmerzen bereiten” und Tagebuchaufzeichnungen von William Vesper über seine Suche nach dem Stein der Weisen. (Selbst für die 1930er Jahre eher veraltete Ansichten. Was für ein Freak.) An einer Wand finde ich sogar eine Art Schrein für die Gräber dreier Frauen – Maria, Irina, Virginia. Ich dachte bisher, William und Selena würden mit ihrer Liebe einen kurzen Lichtblick in die düstere Familiengeschichte bringen. Bei klarem Verstand scheint (oder schien… ) der Sohn der Vesper-Familie aber doch nicht zu sein. In einer Notiz finde ich auch den Grund dafür…

Nicht vergessen – sie belästigt mich

Ihre Stimme belästigt micht, beschuldigt und beleidigt mich, da ich nicht der Nachkomme war, den sie unbedingt wollte. Die verstorbene Margaret ist noch verletztender, und da ich ihr Sohn bin, hatte sie immer die Schlüssel zu meinem Verstand. Ich bin verzweifelt … wie soll ich eine Verstorbene kontrollieren?

White Night

Ich wusste es: bei den Geistern handelt sich um Margaret! Die Tyrannin konnte ihren Sohn auch nach ihrem Tod nicht loslassen und versucht ihn nun noch aus dem Jenseits heraus, zu einem “Mann” zu erziehen. Wie nun auch ich, suchte William einen Weg, um die Geister loszuwerden – zumindest mit kleinen Erfolgen, wie ich wenig später aus einer anderen Notiz entnehmen kann:

Nicht vergessen – die Schatten halten sich von elektrischem Licht fern

Heute Nacht hat einer von Mutters Schatten mich in der Bibliothek erwischt. Noch am Tag hatte ich einige elektrische Leitungen repariert, die seit Jahren nicht mehr funktioniert hatten. Panisch schaltete ich das Licht an und der Schatten verschwand mit einem Schrei. Elektrisches Licht tötet sie!

White Night

Elektrisches Licht ist Lösung! Wohl nur eine vorübergehende … sonst hätte William die Geister bestimmt ausgelöscht … momentan freue ich mich jedoch über jeden Hoffnungsschimmer und sollte er noch so klein sein. Mit meinen Streichhölzern komme ich hier jedenfalls nicht weit, zumal ich dahinten wieder einen kleinen Schatten erkennen kann. Er bewegt sich nicht, vorbei komme ich an ihm aber auch nicht. Es muss hier irgendwie eine Möglichkeit geben, das Licht zu reparieren. (Wenn ich etwas von Videospielen gelernt habe, dann ist es das: Hinweise kommen nie ohne Grund in einer bestimmten Umgebung vor!) Und zwar schnell, denn langsam werden die Streichhölzer knapp und ich habe in der Bibliothek bisher keine neuen finden können.

White Night
Release: 06.03.2015
Genre: Survival, Horror
Entwickler: OSome Studio
Publisher: Activision
Plattformen: PC, PlayStation 4, Xbox One

Mal überlegen: Ein Lichtschalter lässt sich schwer ohne entsprechendes Werkzeug reparieren. Den kann ich also abschreiben. Auf einem Tisch habe ich aber vorhin eine Schreibtischlampe gesehen. Die hat zwar auch nicht funktioniert, vielleicht steckt jedoch einfach der Stecker nicht. Ich folge einfach dem Kabel und schaue, was mich da erwartet. Einmal in den mittleren Gang und bloß nicht das Kabel aus den Augen verlieren (gar nicht so einfach, wenn ständig die Kamera wechselt). Jetzt geht es nach rechts und scheint da vorn bei der Tür zu verschwinden.


Geräusche aus dem Jenseits

Zögernd nähere ich mich der Tür, als mich ein schweres Klopfen aufschrecken lässt. Kam das Klopfen von der Tür? Jetzt ist es jedenfalls alles wieder still. In einem Haus wie diesem kann das aber nichts Gutes bedeuten. Ich sollte die Tür auf keinem Fall öffnen! Aber was ist mit dem Kabel? In dem Licht kann ich kaum erkennen, ob das Kabel vor der Tür endet oder genau in den Raum führt. Ich fürchte, ich habe keine Wahl: Ich muss einen Versuch wagen und die Tür öffnen. Mein Herz klopft wie wild und ich bereits mich aufs Wegrennen vor.

1… 2.. 3! Ich öffne die Tür und es ist, wie es zu erwarten war: Ein Gast starrt mich an. Habe ich mich doch geirrt? Endet das Kabel doch neben der Tür? Egal. Keine Zeit zum Nachdenken. Ich muss weg, bevor mich der Geist bemerkt. Doch zu spät – natürlich hat er mich bereits gesehen. Und jetzt scheint er mit mir nicht mehr Verstecken spielen zu wollen. Ich renne weg … und er nimmt die Verfolgung auf. Schneller, schneller! Wo muss ich lang? Ich weiß es nicht, mein Streichholz ist ausgegangen. Keine Zeit ein neues anzuzünden!  Ich muss blind den Weg rausfinden … und scheitere dabei kläglich. Erwischt.


Game over.

Das reicht. Ich hab erstmal genug. Ich will wissen wie es weiter geht, aber für einen Angsthasen wie mich war das alles zu viel. Von wegen “Schwarz-Weiß kann ja nicht so schlimm sein”. Eben weil ich nicht genau erkennen kann, was da auf mich zukommt, wird die Stimmung viel bedrückender. Ich rechne jeden Moment mit dem Schlimmsten und mag kaum weitergehen. (Zumal ich das Gefühl habe, dass Streichhölzer im späteren Verlauf des Spiels immer seltender zu finden sind. Aber im Zweifelsfall helfen die mir gegen die Geister eh nicht.) Und dann geben mir die extrem schnellen Perspektivwechsel noch den Rest. Fazit: “White Night” ist ein atmosphärisch durchaus gelungendes Spiel, aber eben nur für Leute mit starken Nerven und einem ausgeprägtem Orientierungssinn!



Alle Teile in der Übersicht:

Teil 1 / Teil 2 / Teil 3 / Teil 4 / Teil 5

Caecilia
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Caecilia

Ehemaliger(?) "Final Fantasy"-Freak. Hat durch die Liebe für das Japanische Rollenspiel zum Videospiel gefunden. Nachdem der Traum vom Leben im Land der aufgehenden Sonne schon am Sushi-Hass zerplatzte, fand die Musik- und Theaterwissenschaftlerin mit den Game Studies einen passenden Ersatz; ging ihren Dozenten deswegen permanent mit Hausarbeiten zu Videospielmusik, Avatartheorien oder Bewegungssteuerungskonzepten auf den Leim; versuchte sich nebenher als Redakteurin beim RETRO-Magazin oder stockte ihre Spielesammlung mit Aushilfsjobs bei GameStop auf. Ihr großer Traum: Mit einer Professur das eigene Hobby durch die Uni finanzieren zu lassen. Bis dahin tobt sich eben auf schraeglesen aus und bezahlt die Spiele vorerst aus eigener Tasche. Wegen ihrer Vorliebe für Indie Games hält sich der finanzielle Aufwand dabei zum Glück in Grenzen.

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