Interactive Fiction – Liest du noch oder spielst du schon?

Bei all den “graphischen Wunderwerken” der letzten Jahre kann man es sich kaum noch vorstellen, aber ja: Es gab tatsächlich eine Zeit, in der Videospiele – mehr oder weniger notgedrungen – komplett auf hochauflösende Bilder verzichtet haben. In den sogenannten “Interactive Fiction” kommuniziert der Spieler einzig und allein mittels Texteingabe. Der ideale Einstieg für unsere neue Reihe “Verspielte Literatur”!

Das Problem einer Definition

Wenn man über einen bestimmten Begriff reden will, fängt man üblicherweise immer mit einer Definition an. Wie will ich auch sonst über etwas reden, wenn ich nicht mal weiß, worüber ich eigentlich reden will? In den letzten Tagen habe ich mich daher durch verschiedene Texte gequält, Wikipedia und gefühlt das ganze Internet durchforstet – und konnte zum Schluss eigentlich nur eines sicher sagen: Eine eindeutige Definition für “Interactive Fiction” gibt es nicht. Der Begriff ist einfach so schwammig, dass er ständig für andere Formen von Spielen und Literatur verwendet wird. Je nachdem, wie es dem Redner eben gerade passt. Am häufigsten werden Interactive Fictions jedoch mit den sogenannten Text-Adventures gleichgesetzt – ein Adventure-Game, in dem die Umgebung in Textform dargestellt wird und der Spieler ebenfalls mittels Texteingabe mit dem Spiel interagiert.

Interactive fiction, often abbreviated IF, is software simulating environments in which players use text commands to control characters and influence the environment. Works in this form can be understood as literary narratives and as video games.[1] In common usage, the term refers to text adventures, a type of adventure game where the entire interface can be “text-only“.

(Wikipedia)

Das sieht dann in etwa so aus: Der Computer beschreibt die Situation, auf die ich als Spieler reagiere, indem ich in Textform eingebe, was ich nun tun möchte. Dafür verwende ich simple Satzstrukturen, damit der Rechner die Eingaben auch entsprechend interpretieren kann – der mir dann im Gegenzug wieder beschreibt, wie sich Situation durch meine Eingabe verändert hat (oder eben auch nicht verändert hat, wenn ich einfach unmögliche Forderung stelle und beispielsweise durch eine Wand laufen möchte). Daraufhin reagiere ich wieder durch eine weitere Eingabe und so weiter und so fort… Im Grunde funktioniert eine Interactive Fiction also nicht anders als jedes andere Computerspiel (oder jede andere Form der Interaktion mit einem Computer): Das Spiel gibt eine Situation vor, der Spieler reagiert, der Computer oder das Spiel rechnet.

Die tausend Gesichter der Interactive Fiction

interactive fiction bedeutet eine Geschichte zu erzählen, ebenso wie Bücher eine Geschichte erzählen.
Aber interactive fiction erlaubt mehr als nur zu konsumieren, dies sind Bücher zum Mitmachen.“

(http://www.interactive-fiction.de/)

Damit wären wir auch schon beim eigentlichen Problem: Irgendwie kann eine “Interactive Fiction” alles sein – ein Grafik-Adventure, eine Hyperfiction und in gewisser Weise jede Art von Computerspiel. Denn wörtlich übersetzt bedeutet “interactive fiction” eigentlich nur “interaktive Erzählung”. Und das schließt selbst die sogenannten Spielebücher ein – tatsächliche Bücher in Papierform, in denen der Leser an bestimmten Punkten Entscheidungen treffen muss, die wiederrum den Verlauf mitbestimmen (in ihrer bekanntesten Form als “Choose your own Adventure”-Bücherreihe). Als das wollen wir Interactive Fictions in den nächsten Tagen auch zeigen: Als ein “Genre” mit vielen Facetten. Als spielerische Bücher und literarische Computerspiele – und der perfekte Beweis, dass Literatur und Computerspiele viel gemeinsam haben können. “Bücher zum Mitmachen” eben.

Wie und warum das Ganze aber überhaupt zustande kam, erfahrt ihr morgen.


Teil 1 / Teil 2a / Teil 2b / Teil 3

Formen von Interactive Fiction:

Spielebuch / Interaktiver Comic / Interaktives Hörspiel / Text Adventure

Caecilia
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Caecilia

Ehemaliger(?) "Final Fantasy"-Freak. Hat durch die Liebe für das Japanische Rollenspiel zum Videospiel gefunden. Nachdem der Traum vom Leben im Land der aufgehenden Sonne schon am Sushi-Hass zerplatzte, fand die Musik- und Theaterwissenschaftlerin mit den Game Studies einen passenden Ersatz; ging ihren Dozenten deswegen permanent mit Hausarbeiten zu Videospielmusik, Avatartheorien oder Bewegungssteuerungskonzepten auf den Leim; versuchte sich nebenher als Redakteurin beim RETRO-Magazin oder stockte ihre Spielesammlung mit Aushilfsjobs bei GameStop auf. Ihr großer Traum: Mit einer Professur das eigene Hobby durch die Uni finanzieren zu lassen. Bis dahin tobt sich eben auf schraeglesen aus und bezahlt die Spiele vorerst aus eigener Tasche. Wegen ihrer Vorliebe für Indie Games hält sich der finanzielle Aufwand dabei zum Glück in Grenzen.

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